Festrede Dietmar Bez zur Einweihung

Festrede des Vorsitzenden des Kreisobstbauverbandes Kreis Reutlingen Dietmar Bez  –  (in gekürzter Fassung)

Sehr geehrter Herr Vereinsvorsitzender, lieber Alfons,

verehrte Mitglieder und Freunde des Obst- und Gartenbauvereins Lichtenstein

und alle anderen Mitglieder der Obst- und Gartenbauvereine aus nah und fern,

liebe Lichtensteiner Bürgerinnen und Bürger“, verehrte Gäste,

im Namen des Kreisobstbauverbandes möchte ich Sie an diesem Morgen begrüßen und herzlich willkommen heißen. Unsere französischen Freunde und Gäste möchte ich natürlich besonders herzlich begrüßen: „J´aime particulièrement souhaiter la bienvenue à nos invites et amis francais.”

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, wieder einmal veranstaltet der Obst- und Gartenbauverein Lichtenstein ein Fest zu einem ganz besonderen Anlass. Bereits im April 2018 beim Anlegen des Nussbaumweges hat mich Herr Neubrander gebeten, bei der Einweihung ein Grußwort zu sprechen. Dieser Bitte bin ich natürlich gerne nachgekommen, da der OGV Lichtenstein einer der aktivsten und rührigsten Obst- und Gartenbauvereine im Landkreis Reutlingen ist und nun, mit der heutigen, feierlichen Einweihung des Nussbaumweges, ein weiteres Mal bewiesen hat, dass er auch hartnäckige und schwierig zu realisierende Projekte als Herausforderung annimmt und zu einer – für alle Seiten tragbaren Lösung – führen kann.

Ganz herzlich begrüßen möchte ich natürlich auch den Vertreter des Bürgermeisters der Gemeinde Lichtenstein, Herrn Marco Gass. Und ich werde auch heute nicht müde, zu wiederholen, dass ihr hier einen besonders aktiven Verein in eurer Gemeinde habt, auf den ihr wahrlich stolz sein könnt. Ein Verein mit einem solch großen gemeinnützigen und gesellschaftlichen Engagement, wie der Obst- und Gartenbauverein, ist doch der Wunsch eines jeden Bürgermeisters. Der Verein wirkt sowohl innerhalb der Teilortschaften als auch in Feld und Flur was in jedem Jahr deutlicher sichtbar wird. Im Frühling sind es die vielen tausende Krokusse und Narzissen die nach den dunklen Wintermonaten farbenfroh als Frühlingsboten in Erscheinung treten und des Menschen Herz wahrlich erfreuen. Und wenn man am Sonntag einen Spaziergang durch die heimische Flur unternimmt, dann kann man sich an den vielen gepflegten gemeindeeigenen Streuobstwiesen erfreuen. Und unterm Jahr kümmert sich der Obst- und Gartenbauverein um die Kinder. Die Schule erhält einen Schulgarten und mit den Kindergartenkindern wird Obst aufgelesen und zu Apfelsaft gepresst. Mit solchen Aktionen werden frühzeitig das Wissen und der Wert von unseren Streuobstwiesen – von unserer Kulturlandschaft – an die nächste Generation weitergegeben.

Es wird nur wenige Gemeinden entlang des Albtraufs geben, deren Streuobstwiesen – und auch das Drumherum wie die Pflege der Heckenraine, von Wasserläufen oder Feldwegen – von einem Verein in so enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde wahrgenommen wird, wie hier in Lichtenstein. Lieber Alfons, für diese große Leistung welche du mit deinen Vereinsmitgliedern hier erbringst, gebührt euch allen unser Respekt und unsere Anerkennung aber vor allem unser herzlicher Dank, den ich an dieser Stelle zum Ausdruck bringen möchte.

Doch jetzt komme ich zum eigentlichen Thema des heutigen Vormittags, zum Nussbaumweg – mit seiner nicht alltäglichen Planungs- und Genehmigungsphase. – Wenn ein Verein einen Weg anlegen will, an dem verschiedene Nussbäume angepflanzt werden sollen, um für alle Interessierten eine kleine Hilfestellung und einen Überblick über die möglichen Sorten geben zu können, sollte man meinen, dass wir hier von einer einfach umsetzbaren Idee reden. Doch, was rein theoretisch sehr einfach und einleuchtend erscheint, hat sich bei der Umsetzung, d.h. bei der Genehmigung als wesentlich schwieriger herausgestellt.

Auf der Gemarkung Lichtenstein gibt es großflächige Ausweisungen von FFH-Gebieten vor allem am Albtrauf entlang. Doch was ist ein FFH-Gebiet? „Die FFH-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, besondere Gebiete zum Schutz und Erhalt bestimmter Lebensraumtypen sowie von Tier- und Pflanzenarten auszuweisen. Die sogenannten “FFH-Gebiete” sind Teil des Natura 2000 Schutzgebietsnetzes.“

Nur, damit wir uns richtig verstehen, diese Schutzgebietsausweisungen sind wichtig und richtig und vor allem auch in unserem Sinne. Nur bei der verwaltungsseitigen Anwendung der Richtlinie, würden wir uns einen anderen Umgang, einen andern Blickwinkel auf manche Themen wünschen. Das Ziel des Obst- und Gartenbauvereins Lichtenstein war es, eine vollkommen verwilderte ehemalige Streuobstwiese wieder herzurichten. Das, was damals im Rahmen der Flächenerfassung für die Ausweisung der FFH-Gebiete vor über einem Jahrzehnt festgelegt wurde, ist inzwischen in der Natur oft so nicht mehr vorhanden.

Die einstmals als Mähwiesen erfassten Flächen sind inzwischen von Buschwerk vollkommen überwachsen. Denn das ist der Unterschied zwischen einer Kulturlandschaft und einer Naturlandschaft. Um eine Kulturlandschaft als solche zu erhalten, bedarf es der fortwährenden Bewirtschaftung und Pflege. Bleibt die Pflege und Bewirtschaftung aus, dann holt sich der Wald diese Flächen über kurz oder lang wieder zurück. Die ursprüngliche Vegetation in unserer Region ist ein Buchen-Eichen-Mischwald. Und diesen Prozess der zunehmenden „Verwaldung“ kann man am Fuße des Albtraufs wunderbar verfolgen, denn der Wald kommt immer weiter nach unten in Richtung des Talgrunds.

Bei der Beurteilung solcher Flächen muss man auch die geschichtliche und die landschaftliche Entwicklung dieser Flächen in die Betrachtung und Bewertung mit einbeziehen. Die relativ steilen Hangflächen am Fuße des Albtraufs waren früher meist die Allmendflächen der Gemeinde auf denen das Vieh geweidet wurde. Als man dann von der Weidehaltung zur Stallhaltung überging, wurden auf solche Flächen in aller Regel Streuobstwiesen angelegt. Da sich zu dieser Zeit der Most zum Alltagsgetränk bei der breiten Bevölkerung entwickelt hat, was von den damaligen Regenten von Württemberg auch nachhaltig gefördert wurde. Die Flächen am Fuße des Albtraufs waren von ihrer Lage her prädestiniert für den Obstbau. Somit wurden die Streuobstwiesen zu einem wichtigen Bestandteil zur Sicherstellung der Ernährungsgrundlage.

Doch nach dem Zweiten Weltkrieg setzte ein gravierender Wandel ein. Viele Nebenerwerbslandwirte gaben ihre Landwirtschaft auf. Der Lebensunterhalt wird – insbesondere in Baden-Württemberg – in der Industrie oder im Dienstleistungssektor besser, leichter und vor allem mehr verdient als in der Landwirtschaft. Das hatte auch zur Folge, dass der Most seine Bedeutung als Alltagsgetränk nach und nach verlor. Die Lebensmittelversorgung hat sich – insbesondere durch die Globalisierung – in den letzten 50 Jahren vollkommen verändert. Die Folge dieser Entwicklung ist, dass immer mehr Streuobstwiesen nicht mehr bewirtschaftet werden und vor allem die steilen Lagen – die sogenannte Grenzertragsflächen – für die heute noch tätigen Landwirte für die Bewirtschaftung uninteressant sind. Auch hier im Echaztal kann man es beobachten – der Wald am Fuß des Albtraufs wandert langsam aber stetig weiter nach unten.

Erst als die Hindernisse und Probleme im Zusammenhang mit den FFH-Gebieten öffentlich diskutiert und in der Tagespresse darüber kritisch berichtet wurde, kam dann etwas Bewegung in die Sache. Wir erhielten eine Einladung zu einem Gespräch mit der „Höheren Naturschutzbehörde“ beim Regierungspräsidium in Tübingen –  von dem Referat, welches für die Erarbeitung der Managementpläne für die FFH-Gebiete zuständig ist. Es war ein überaus gutes Gespräch, welches 2 Wochen später vor Ort – bei widrigsten Wetterverhältnissen – bei Schneeregen – fortgesetzt wurde. Und dann geschah ein Wunder oder es war der Sieg der Vernunft, allein durch die Betrachtung der Situation vor Ort mit den Damen und Herren des Regierungspräsidiums haben sich alle Probleme in Luft aufgelöst. Das Regierungspräsidium hat sofort erkannt, dass sich die Situation seit der Erfassung im Jahre 2008 nachhaltig verschlechtert hat und mit der Rodung daher eine nachhaltige Verbesserung des FFH-Schutzzieles erreicht würde.

Nun komme ich zu den Nussbäumen selbst. Die Bäume sind inzwischen alle gepflanzt und jeder Baum hat ein kleines Schild auf dem die jeweilige Sorte vermerkt ist. Und da heute nahezu jeder ein Smartphone besitzt, kann er weitere Informationen zu dem jeweiligen Baum über den QR-Code auf dem Schild mit seinem Smartphone abrufen.

Der Nussbaumweg selbst erstreckt sich über eine Länge von rund 2,5 km und bietet nicht nur Informationen über die Nussbäume entlang des Weges, sondern auch auf weiten Streckenabschnitten einen fantastischen Ausblick ins Echaztal und auf den Albtrauf.

Angepflanzt wurden 15 Sorten Walnüsse, 5 Sorten Haselnüsse und die „Amerikanische Schwarznuss“ – insgesamt rund 25 Walnussbäume und 15 Haselnusssträucher. Für mich sind die Nussbäume eine große Bereicherung auf den vorhandenen Streuobstwiesen und für die Region bzw. für das Schwäbische Streuobstparadies ist es eine weitere Attraktion, für alle am Obstbau Interessierten und für viele Obst- und Gartenbauvereine. Wer eine alternative Anpflanzung für seine Wiese sucht, der sollte durchaus auch mal die Nussbäume oder Haselnusssträucher in Betracht ziehen. Die vielen hochwertigen Bäckereien in unserem Raum wären sicherlich dankbare Abnehmer, insbesondere beim derzeitigen Trend der verstärkten Angebote von Produkten aus der eigenen Region. Sie sehen, der Anbau von Nüssen kann durchaus auch eine wirtschaftliche Komponente haben.

Jetzt möchte ich noch auf die „Nuss“ als Nahrungsmittel eingehen. Nüsse gehören zum Schalenobst – das war mir auch neu. Es sind in aller Regel – so die Definition – Früchte mit einer rundlichen Form und meist mit holziger Schale. Der Kern ist essbar und sehr nährstoff- und kalorienreich. Walnüsse z. B. haben mit einem Anteil von etwa 65 % Fett, 15 % Eiweiß und 6 % Kohlenhydrate einen hohen Nähr- und Gesundheitswert.

Insofern, wer ab und zu eine Handvoll Nüsse nascht, tut sich damit etwas Gutes. Denn Nüsse enthalten viele Inhaltsstoffe, die sich positiv auf unsere Gesundheit auswirken. Besonders wertvoll sind die ungesättigten Fettsäuren, die dafür sorgen, dass der Cholesterinspiegel sinkt und somit Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wie beispielsweise Arteriosklerose vorbeugen können. Es ist also sehr gesund, ab und zu eine Mahlzeit durch eine Portion Nüsse zu ersetzen.

Es gibt unzählige Backrezepte mit Nüssen für Kuchen, Kekse und so weiter. Deshalb beschränke ich mich auf die Weihnachtszeit. Was wären unsere „Weihnachtsbredla“ ohne Nüsse? Spätestens jetzt müssten jedem die Nützlichkeit und die Zielrichtung des Nussbaumweges einleuchten. „Weihnachtsbredla“ mit heimischen Nüssen – des wär´s doch!

Darüber hinaus ist ein Walnussbaum – wenn er mal einige Jahre gewachsen ist – ein sehr stattlicher Baum, dessen Holz zu den Edellaubhölzern gehört. Vielfach wird sein Holz als das wertvollste Holz überhaupt unter unseren einheimischen Nutzhölzern eingestuft. Ein weiterer wirtschaftlicher Aspekt.

Damit will ich den Kreis um den Nussbaumweg schließen. Ich habe versucht, Ihnen den steinigen und dornenreichen Weg der Genehmigung des Nussbaumweges in geraffter Form aufzuzeigen, Ihnen die vielseitige Funktion des Nussbaumweges nahe zu bringen, der im Übrigen – meines Wissen – der einzige Nussbaumweg im Schwäbischen Streuobstparadies sein wird. Somit hat die Gemeinde Lichtenstein ein weiteres Alleinstellungsmerkmal.

Dem Obst- und Gartenbauverein Lichtenstein wünsche ich weiterhin viel Erfolg bei seiner Arbeit und bei der Pflege des Nussbaumweges.

Dietmar Bez

Vorsitzender des Kreisobstbauverbandes des Kreises Reutlingen

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